Schiene gegen den Presslufthammer neben sich im Bett

Das Schnarchen ist an und für sich nicht gesundheitsschädlich, wenn jedoch die berüchtigten Atemaussetzer dazu kommen, wird es gefährlich. „Übergewichtige nehmen auch innen zu, die Atemwege werden enger“, so Wahler, wenn keine Luft mehr durchgeht, wird das Schnarchen zum Problem.

Auch Apnoe klingt recht hübsch, es wird Apno-e ausgesprochen. Es bedeutet jedoch etwas Lebensbedrohliches, nämlich Nicht-Atmung, Atemstillstand. Drei bis vier Prozent der Bevölkerung leiden an schwerer Schlafapnoe. Die Aussetzer dauern mindestens zehn Sekunden, Hunderte solcher Aussetzer können den Schlaf einer Nacht vollkommen durchlöchern, ohne dass der Betroffene dies bewusst registriert.

Wenn wir uns vergegenwärtigen, dass in allen Hochkulturen der Atem eine große philosophische Rolle spielt, beispielsweise wird er als Geist und Seele bezeichnet, als das Leben selbst – dann können wir uns vorstellen, wie wichtig die gute Versorgung mit Sauerstoff für den Körper ist. Immerhin atmen wir in der Nacht zirka sechs Liter pro Minute, tagsüber bei Belastung ist es die 20-fache Menge!

Sauerstoffmangel
Der Sauerstoffmangel löst als Erstickungsbedrohung Alarmsignale im Körper aus. Dies führt zu einer Weckreaktion, Adrenalin wird ausgeschüttet, von Schlaf kann eigentlich keine Rede mehr sein, denn der Tiefschlaf, die eigentlich erholsame Phase, wird unmöglich. Schlafentzug zählt nicht ohne Grund zu den schlimmsten Foltermethoden und führt zum Tod, denn die Erholung in der Nacht ist lebenswichtig. „Zwei Wochen ohne Schlaf und sie gestehen alles“, so der Zahnarzt.

Tagesmüdigkeit sei ein deutliches Indiz für schlafbedingte Atemstörungen. Eine große Zahl von Unfällen, die durch den Sekundenschlaf verursacht wurden, lasse sich darauf zurückführen. Das Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko sei genauso groß wie bei starken Rauchern, sagt Wahler. Nerven- und Muskelschädigungen können entstehen, das gesamte Kreislaufsystem sei durch den Stress in der Nacht beeinträchtigt. Diabetes, Potenzprobleme, Depressionen stehen mit der Apnoe in Zusammenhang. So kann sich die Sache hochschaukeln – aus der unbewussten Frustration entstehen Essengelüste, die wiederum das Übergewicht stabilisieren – die Lebenserwartung bei Betroffenen sei deutlich verringert.

Auch bei Kindern kommt das Schnarchen vor, so Wahler. Wenn die Mandeln sehr groß sind beispielsweise oder auch bei Übergewicht. Oder wenn die Eltern Raucher sind. Neigen erwachsene Schnarcher zum Sekundenschlaf, entwickelten sich die Kinder oftmals zu Zappelphilippen. Zusammenhänge zwischen nächtlichem Schnarchen und Hyperaktivität wurden nachgewiesen, so Wahler, „da wird manchmal Ritalin verschrieben, obwohl das Kind ’nur‘ unter Atemschwierigkeiten leidet.“

Die Mehrzahl der Schnarcher sei übergewichtig, hat der Zahnarzt festgestellt. Fettreiches Essen, Alkohol oder die Einnahme bestimmter Medikamente verstärkten nicht nur das Schnarchen, sondern auch die Lautstärke. Generationen von Frauen kennen das. Meistens sind es die Frauen, die ihre Ehemänner oder Lebensgefährten zum Arztbesuch drängen – sie leiden schließlich mit. Bis zu 90 Dezibel kann ein heftiger Schnarcher erreichen, das ist so laut wie ein Presslufthammer. Manche müssten erst mit der Scheidung drohen, um ihre Männer zu mobilisieren, erzählt Wahler.

Die Frauen holen aber nach den Wechseljahren selbst auf. Weil mehr Flüssigkeit im Gewebe abgelagert wird, entwickeln sie sich zu Schnarcherinnen. Wenn dann noch Übergewicht dazukommt, sind auch sie in der Leidenskette gefangen.

Erste Erkennungsmerkmale sind Tagesmüdigkeit und Erschöpfung. Der klassische Weg führe über den HNO-Arzt zur Therapie. Von Fall zu Fall könne ein chirurgischer Eingriff helfen, aber nur, wenn das Übergewicht nicht zu groß sei, so Wahler.

Die eigentlichen Schlafmediziner sind die Lungenfachärzte. Dr. Hans Peter Pfeuffer aus Sulzthal, Internist und Lungenfacharzt, hat drei Schlafplätze in seinem Labor in Bad Neustadt. In der ersten Stufe der Untersuchung bekommen die Patienten ein „Schnarchkästle“ mit nach Hause. Das gesangbuchgroße Gerät macht eine Somnographie, das heißt, es zeichnet das Schlafverhalten auf. Schwerere Fälle werden im Schlaflabor behandelt. Hier verbringt der Patient ein oder zwei Nächte zur Untersuchung des Schlafverhaltens, die Apnoe kann mit einer Maskentherapie behandelt werden. Eine Druckluftmaske erhöht den Luftdruck im Bereich der oberen Atemwege und verhindert so den Kollaps des Atemweges. Diese Maske soll vier bis sechs Stunden in der Nacht genutzt werden. Manche Patienten seien wie erlöst, weil sie mit dem Gerät zum ersten Mal seit Jahren endlich wieder schlafen könnten, so Pfeuffer.

Leichtere Fälle könne man gut mit einer Unterkiefervorziehschiene behandeln, informiert Wahler. Denn im Mundraum kann es auf Millimeter ankommen. Wenn der Unterkiefer zu weit hinten sitzt und die Zunge groß ist, hilft das kleine Gerät, das Wahler seinen Patienten anpasst. Wie eine Zahnspange sitzt die Schiene auf dem Gebiss, der untere Teil wird oben eingehakt und so nach vorne geschoben. Schön sieht es ja nicht aus – aber wer will schon einen foltergequälten Menschen neben sich im Bett?

Allererste Maßnahmen bestehen jedoch im Abnehmen, Abnehmen und nochmals Abnehmen. In leichteren Fällen genügten einige Kilos und viel Bewegung an frischer Luft.

Der Trick mit den Igelbällen
Helfen kann bei leichtem Schnarchen auch ein Trick: Man nehme zwei Igelbälle, das sind handgroße genoppte Plastikbälle, die eigentlich zu Massagezwecken verwendet werden, und nähe sie an den Rücken eines hautengen T-shirts. Der Mann wird sich bei jedem Versuch, auf dem Rücken zu schlafen, ganz schnell wieder in die Seitenlage begeben.

Wichtig seien auch die schlafhygienischen Bedingungen, so Wahler. Regelmäßige Bettgehzeiten und ausreichende Schlafzeiten, Dunkelheit und Ruhe fördern die Entspannung. Immer mehr Paare schlafen inzwischen in getrennten Schlafzimmern, wobei immer häufiger Haustiere mit in die Betten dürfen. Garant für schnarchfreie Nächte ist das jedoch noch nicht, denn: rund 20 Prozent der Hunde und Katzen schnarchen auch – besonders wenn sie zu dick sind.

Quelle Mainpost vom 29.02.2008